Ostfriesisches Tee-Vokabular

 

lecker Koppke Tee eine gute Tasse Tee                               
Kluntje, Klumpke Kandis
Kluntjeknieper Kandiszange
Roos, Wulkje, Rohm, Blüm Sahne
Rohm- oder Melklepel Sahnelöffel
Schäddelke Untertasse
Teeketel, Waterketel Teekessel

 

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Es gibt zwei Hypothesen, die die Leidenschaft der Ostfriesen zum Teetrinken zu erklären versuchen:

Zum einen machen heisse Getränke rauhes Klima erträglicher, und zum anderen führte die schlechte Qualität des Trinkwassers dazu, dass Wasser nur in abgekochtem Zustand oder in Form von Bier genossen werden konnte. Johann Haddinga schreibt in seinem "Buch vom ostfriesischen Tee", dass die Versorgung mit geniessbarem Trinkwasser in ländlichen Gebieten noch bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts zu wünschen übrig liess. Durch mangelhaftabgedichtete Brunnen und die "Verschmutzung des Wassers durch tierische und pflanzliche Relikte" habe das Trinkwasser oft muffig gerochen, schmutzig ausgesehen, salzig und bitter geschmeckt.
Im Sommer breitete sich Paratyphus epidemieartig aus. In einem 1734 verfassten Gutachten des Leerer Medizinalrates Otto Buurman steht: "Wir haben hier soviel Paratyphuserkrankungen wie wohl kaum in einem anderen Regierungsbezirk Preussens. Der Ostfriese hat instinktmässig gefühlt, dass die vielen Darmerkrankungen in irgendeiner Weise mit dem schlechten Trinkwasser in Verbindung stehen. Daher ist er dazu übergegangen, gekochtes Wasser zu trinken. Da Wasser aber viel zu fade schmeckt, setzte er Tee hinzu." Wenn es also nur um den faden Geschmack gegangen wäre, hätten die Osftriesen dem Wasser genauso gut Kaffee zusetzen können. Wahrscheinlich zogen sie Tee vor, weil er den Ruf hafte, Erkältungskrankheiten vorzubeugen und zu heilen und damit besser zu dem rauhen Klima passte.
Die Teeleidenschaft der Ostfriesen begann, bald nachdem die Holländer den ersten Tee zu ihnen gebracht haften. 1753 starteten sie den ersten Direktimport. Nach 16 Monaten Fahrt landete das nach China entsandte Schiff "König von Preussen" mit 550000 Pfund Tee an Bord im Hafen von Emden. Der Alte Fritz wollte den Ostfriesen das Teetrinken verbieten. In seiner Verlautbarung aus dem Jahre 1777 hiess es, dass die Ostfriesen Tee in so "barbarischen Mengen" schlürften, dass er gesundheitsschädlich sei und verboten werden müsse. Ausserdem müse aufs schärfste getadelt werden, dass der Tee Männer und Weiber dazu verleite, täglich mehrere Stunden müssig zu sitzen. Doch die Ostfriesen wehrten sich dagegen und das Verbot trat nie in Kraft.

 

Die Ostfriesen wären natürlich keine Ostfriesen, wenn sie den Teegenuß nicht perfektioniert hätten. Drum erfanden sie die

Teezeremonie

Wie es dazu kam:

 

Der Boxeraufstand in China und
was die Ostfriesen damit zu tun haben
Im 16., 17. und 18. Jahrhundert gehörte Bier zu den Haupt- und Grundnahrungsmitteln in Mitteleuropa. Es war nahrhaft und versorgte die körperlich hart arbeitende Bevölkerung mit ausreichend Kalorien. Das mit Moorgebieten durchzogene Ostfriesland hatte für das Bierbrauen allerdings ein zu schlechtes Wasser. Einzelne ostfriesische Brauereien produzierten zwar preiswertes aber eher minderwertiges Bier. Gutes Bier musste für teures Geld aus Hamburg und Bremen importiert werden, denn ein Deutschland gab es noch nicht.

Hinsichtlich dessen sollte sich aber die Nähe zu Holland als günstig erweisen. Seit dem 16. Jahrhundert siedelten sich holländische Kaufleute in Emden an, um dort ungestört Handel treiben zu können. Mit dem damit zusammenhängenden Aufschwung Emdens zur ersten Reedereistadt Europas im Jahre 1569 - ausgestattet mit einer größeren Handelsflotte als das damalige Königreich England - begannen ostfriesische Seeleute die Weltmeere zu befahren und regen Handel zu treiben. 1683 wurde die Stadt am Ausgang des Dollarts in die Außenems Sitz der kurbrandenburgischen Admiralität, und 1753 löschte der erste Segler der "Preußisch-Asiatischen Handelskompanie" seine wertvolle Fracht aus Kanton: 500.000 Pfund Tee.

 

Tee als Mitbringsel
In den nächsten 150 Jahren florierte das Geschäft vor allem mit Gewürzen, Baumwolle und Kaffee. Porzellan wurde in großen Mengen nach Europa gebracht, diente aber in erster Linie als Gewichtsfaktor in den Bäuchen der Segler, die dadurch besser auf dem Wasser lagen. Tee war damals eher ein Mitbringsel und hatte noch kaum eine wirtschaftliche Bedeutung.

Seit ca. 1750 häufen sich allerdings in den alten Frachtpapieren die Hinweise auf Kaffee und vor allem auf Tee. Es war die Zeit, in der die luxuriösen Genußmittel - sie waren bis dato ausschließlich gesellschaftlich höher stehenden Schichten vorbehalten - allmählich auch für andere Bevölkerungsgruppen erschwinglich wurden. Nicht mehr Grütze, Brei und Bier, sondern Kaffee und Tee mit Zucker und Milch versorgte die Bevölkerung mit Kalorien.

Hauptsächlich die Kirche hielt die Bevölkerung immer wieder an, vom Alkohol abzulassen. Und auch den Landesfürsten war daran gelegen, die Popularität des Bieres zu verdrängen, hatte doch bereits die Kunde ihren Weg in die Nachbarstaaten gemacht, dass vom elitären Landadel bis hin zum gemeinen Volk die Bürger Ostfrieslands sehr "trinkfest" seien und ständig Saufgelage veranstalteten. Der ostfriesische Gelehrte Dr. Henricus Ubbius schrieb etwa 1530 einem italienischen Freund: "Die Frauen sind schön, zum Teil aber dem Trunk ergeben und oft sogar schwer berauscht von dem Hamburger Bier."

Doch zurück zum Tee. Wenn wir in diesem Zusammenhang davon sprechen, so ist damit fast ausschließlich Grüner Tee aus China gemeint, da die ostfriesischen Kaufleute sehr intensive Handelsbeziehungen mit China pflegten. Ein guter Grüner Tee, ein Haysan etwa, war das beste was man einem Gast anbieten konnte. Schwarzer Tee - der natürlich ebenfalls aus China kam - zum Beispiel ein Pecco, ein Souchong oder ein Congo galt als minderwertig.

Die wirtschaftlichen und militärischen Wirren des 18. Jahrhunderts ließen die Preise für ausländische, importierte Waren zeitweise stark ansteigen. Die regierenden Landesfürsten Ostfrieslands erließen immer wieder Dekrete, Geld nicht für Tee und Kaffee auszugeben und ordneten zeitweise sogar Hausdurchsuchungen durchführen, wo danach "gefahndet" wurde. Um den Konsum solch fremdländischer Waren zu reduzieren, wurde der Anbau von Zichorien gefördert, um daraus ein kaffeeähnliches Aufgußgetränk herzustellen. Den Beschreibungen nach muss das ein fürchterliches Getränk gewesen sein. Es hat sich außer in extremen Hungerzeiten auch nie wirklich durchgesetzt.

 

Grüner Tee in Ostfriesland
Um die Jahrhundertwende wechselten die "Besitzer" Ostfrieslands häufig, und nach den Befreiungskriegen verhinderte der "Wiener Kongre" bekanntlich einen deutschen Nationalstaat. Deutschland blieb ein Gebilde aus vielen Einzelstaaten. Im Tausch gegen Vorpommern gab Preußen Ostfriesland an

Hannover ab, das seit 1714 in Personalunion vom englischen König regiert wurde. Schnell setzte sich englische Mode durch. Geschirr aus englische Manufakturen und Möbel im Stile von Thomas Chippendale fanden rasch Verbreitung.

Teegesellschaften und Teehäuser waren "in". Tee, nicht mehr Kaffee, war - zwar nicht über Nacht, aber in relativ kurzer Zeit - zum Volksgetränk avanciert. In vielen Veröffentlichungen wurde sowohl der gesundheitliche Aspekt - insbesondere der des Grünen Tees - gepriesen als auch das bessere Preis-Leistungs-Verhältnis im Gegensatz zu dem des Kaffees dargelegt. Und noch immer wurde in Ostfriesland Chinatee getrunken.

 

Opiumkrieg
Dies sollte sich aber Ende des 19. Jahrhunderts ändern. Der Handel mit China wurde zunehmend schwieriger, das Kaiserreich wollte sich nicht mehr länger den westlichen Wirtschaftsmechanismus aufzwingen lassen. Tee war nur noch gegen Blei, Zinn, Kupfer, Woll- bzw. Baumwollwaren und Silber einzutauschen, womit die Absatzmöglichkeiten für englische Fertigprodukte stark eingeschränkt waren. Aber Opium konnte in Indien billig produziert werden. Die "East India Company" verkaufte 1837 trotz strengster Verbote seitens der Chinesen Opium im Werte von 11 Millionen Pfund, mit denen sie Tee erwerben konnte.

Der anschließende Opiumkrieg (1840-1842) und insbesondere der "Frieden von Nanking", wonach die Insel Hongkong als Kronkolonie an England abgetreten werden musste, verschlechterten die Beziehungen zwischen Briten und Chinesen zunehmends. Die Unruhen in China gipfelten zur Jahrhundertwende im Boxeraufstand, der blutig niedergeschlagen wurde.

Seit den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts hat England deshalb die wilde Thea Assamica im Nordosten Indiens kultiviert. Riesige Teeplantagen wurden angelegt und die Produktion industrialisiert. Ab ca. 1850 wurde in England immer mehr der "eigene" Assamtee getrunken.

Vom Luxusartikel zur Teezeremonie
In Ostfriesland wurde der "neue" Tee mit Begeisterung aufgenommen. Dieser schmeckte - und schmeckt heute immer noch - mit dem weichen Wasser aus den Moorgebieten einfach köstlich. Da durch eigene Ziegen und Kühe immer Milch im Haus war, konnte man sich obendrein den ,Luxus' leisten, den Tee mit Milch zu genießen. Mit Kandis und Milch genossen, war dieser Tee eine komplette Mahlzeit. Das Frühstück bestand nun nicht mehr aus Biersuppe, sondern aus Tee und einem Stück Brot mit Butter.

Die "ostfriesische Teezeremonie" ist demzufolge eine Entwicklung der Bedürfnisse der mittleren und unteren sozialen Schichten, deren Vorliebe zur auffälligen Stärke des ostfriesischen Teeaufgußes als Kennzeichen der Abgrenzung zum großbürgerlichen "Besuchstee" gesehen werden kann. Der starke Teeaufguß war früher ein prestigebehaftetes Kriterium, an dem man die Gastfreundlichkeit der Ostfriesen messen konnte.

Die "ostfriesische Teezeremonie" wird auch heute noch praktiziert. Ein Stück des großen Kandis, der Kluntje, wird in die Teetasse gelegt. Darüber wird der kräftige, heiße ostfriesische Tee gegossen. Der Kandis zerspringt in kleinere Teile - es knackt und kracht in der Tasse, man sagt "de Kluntje kniddern" - und beginnt nun, den Tee langsam zu süßen.

Die Milch oder Sahne lässt man langsam über den Rücken des Teelöffels oder am Tassenrand in die Tasse fließen. Wichtig ist, dabei nicht umzurühren. Denn beim Trinken genießt man den Tee sozusagen in Schichten. Zuerst die noch wenig gesüßte und mit wenig Sahne versetzte obere Schicht, denn diese liegt knapp unter der Oberfläche. Dann folgt die mit Sahne durchsetzte Schicht, bei der man langsam auch die Wirkung des Kluntje schmeckt. Je weiter man sozusagen trinkt, desto süßer wird der Tee.

Dieses Ritual sollte dreimal wiederholt werden, das heißt, die Teezeremonie entspricht drei Tassen Tee. Es wäre eine Unhöflichkeit dem Gastgeber die zweite oder dritte Tasse abzuschlagen. Wenn Sie fertig getrunken haben, sollten Sie allerdings nicht vergessen, den Löffel in die leere Tasse zu legen. Ansonsten kann es Ihnen ergehen wie anno dazumal einem Pfarrer aus Norden - wo sich heute das Ostfriesisische Teemuseum, Tel.: 0049/4931/12 100 befindet -, der den Brauch nicht kannte und schließlich nach 32maligem Nachschenken völlig verzweifelt seine Tasse in die Hosentasche steckte.

In Ostfriesland wird vor allem frühmorgens, vormittags gegen 11 Uhr, nachmittags gegen 15 Uhr und zum Tagesausklang nach 20 Uhr Tee gtrunken. Aber in den ländlichen Gebieten steht - vor allem im Winter - den ganzen Tag eine Kanne Tee auf dem Stövchen.

 


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